Im Wege stehend VII

Im Wege stehend ist eine Ausstellungsreihe für Kunst im öffentlichen Raum, die seit 1988 nun zum siebten Mal präsentiert wird. Veranstalter ist die Stadt Schwetzingen, kuratiert vom Kunstverein Schwetzingen. In diesem Jahr ist das Thema Natur ausgelobt, angeregt durch die Bundesgartenschau in Mannheim und das Themenjahr der Stadt Sommerfrische. Zwölf von einer Jury ausgewählte Künstlerinnen und Künstler aus Nah und Fern sind eingeladen, ihre Kunstwerke ein halbes Jahr lang in Schwetzingen zwischen Marstall, Schlossplatz und St. Pankratius zu zeigen.

Der Rundgang beginnt im Hof des alten Marstallgebäudes an der Carl-Theodor-Straße. Hier hat die Stadt in letzter Zeit ihren Bürgern ein Urban Gardening ermöglicht, so dass auch die Kunst ein grünes und blühendes Ambiente hat. Der russische Künstler Sergei Karev zeigt hier einen riesigen Ahornsamen aus Stahl. 2022 floh er nach der Einberufung zum Militär in den Westen und lebt heute in Leipzig. Die Darstellung der geflügelten Samen bzw. Früchte des Ahorns symbolisieren für ihn Freiheit, Flug und Fruchtbarkeit. Sie fliegen weit, pflanzen neue Bäume und kennen keine Grenzen, ähnlich wie die Gedanken und Träume der Menschen.

Daneben finden sich weitere Werke aus rostendem Stahl, zum einen ein Werk von Dorothea Kirsch aus Gillenbeuren in der Eifel mit dem Titel Cinderella. Sie ist eine gelernte Marionettenbauerin und schafft  filigrane Drahtkonstruktionen mit Fundstücken aus dem ländlichen Umfeld. Hier ist es der Sitz einer Landmaschine, der alles in eine Art Fahrzeug verwandelt. Dieses ist freilich ein Stöckelschuh, der auf landwirtschaftlichen Nutzflächen eher selten getragen wird. So erzählt sie eine märchenhafte Geschichte von einem bäuerlichen Aschenputtel, das von einem mondänen Leben in der Stadt träumt.

Gegenüber hat Werner Bitzigeio aus Winterspelt, drei Sternenfrüchte auf den Rasen gelegt. Der Künstler lebt in Winterspelt (Eifel), berühmt durch den gleichnamigen Antikriegsroman von Alfred Andersch. Der verarbeitete Schweißdraht stammt aus der deutschen Rüstungsindustrie, dient heute jedoch einer genuin friedlichen Kunst. Die Sternenfrüchte sind geometrisch komplizierte Konstruktionen, die einen kilometerlangen Eisendraht in eine dreidimensionale organische Form bringen, die an Sternfrüchte (Carambola) erinnern.

Man verlässt den Marstall und geht auf die Carl-Theodor-Straße. Hier finden sich die Ergänzungsschilder zur öffentlichen Ordnung des in Ingolstadt lebenden Künstlers Thomas Neumeier. Auf insgesamt zehn Schildern werden bis zum Schloss hinunter die Passanten zur Ordnung gerufen. Dabei sind die Botschaften eher spielerisch, manchmal lustig, manchmal ernst. Sie zitieren gerne alte Redewendungen und beziehen sich meistens auf die Natur, die  im urbanen Kontext durch eine geschlossene Versiegelung des Bodens durch Asphalt und Pflastersteine ausgegrenzt ist.

Auf dem Schlossplatz hat der in Wuppertal lebende Bildhauer Georg Janthur sieben rote Sonnenschirme aufgestellt. Der Titel lautet Summer in the City, was das Motto Sommerfrische sehr sinnlich und poetisch vor Augen führt. Sie sind zusammengeklappt, warten auf die Sonne oder haben ihr Tagwerk bereits oder noch nicht vollbracht, so dass sie den Betrachter emotional und gedanklich in eine frühe Morgen oder späte Abendstunde oder gar herbstliche Stimmung versetzen.

Direkt vor dem Palais Hirsch findet sich die Arbeit Kalte Dusche von Matthias Braun aus Würzburg. Diese funktionsfähige Dusche ist als ein Ready-made zu verstehen. Sie funktioniert zwischen 8 und 18 Uhr und gewährt allen Zeitgenossen eine Erfrischung. Sind wir doch alle auch biologische Wesen, die unter immer heißer werdenden Sommern zu leiden haben. Schuld ist die Klimaerwärmung, die jedoch nicht mit ein paar Tropfen auf die heißen Steine dieses Platzes abzuwenden ist.

Um die Ecke am Palais Hirsch wächst ein riesiger Löwenzahn aus dem Boden. Er stammt von dem Kunstprofessor Marcus Jansen aus Leipzig, ist aus Kunststoff und muss regelmäßig aufgeblasen werden. Er wächst aus dem steinigen Boden, wie ein echtes Unkraut, das sich in

einer nahezu vollständig versiegelten Innenstadt behauptet. Die Natur erobert sich ihr Terrain zurück. Der Titel Laubhauer erinnert an die Steinmetze vergangener Jahrhunderte, die auf das Herstellen von architektonischem Laubwerk spezialisiert waren.

Im nahen Weg der Hofmusik findet sich zwischen den Platanen der Konfettihimmel der in Luxemburg lebenden Künstlerin Charlotte Payet. Sie widmet sich in ihrer abends beleuchteten Installation einem sehr modernen Phänomen, der Lichtverschmutzung. So nennt man die Tatsache, dass unsere Städte nachts so viel Licht erzeugen, dass wir den Sternenhimmel nicht kaum noch sehen können. Die alten Sternbilder fügen sich optisch nicht mehr zusammen. Die magische Atmosphäre der finsteren Nacht, die einst alle Romantiker beseelte, ist heute nicht mehr nachvollziehbar.

Man gehe durch die Passage Richtung Dreikönigstraße bis zur Kirche St. Pankratius. Hier hat der aus Ludwigshafen stammende Künstler Michael Volkmer seine Hémisphère aufgebaut,

eine beleuchtete Installation aus Radzierblenden. Jede Radkappe besitzt in der Regel einen radialsymmetrischen Grundriss, der dem Bauplan einer Blume gleicht. Damit sind Radkappen oft die einzigen dekorativen Elemente eines überwiegend funktionalen Designs. Der Titel dieses Werkes deutet darüber hinaus eine globale Dimension an: den Konflikt zwischen unseren geliebten CO2-Schleudern und der Bedrohung durch die Klimaerwärmung.

Gegenüber vor dem Museum Blau auf dem kleinen Gänsebrunnenplatz blüht der Blaue Blumen Busch von Axel Eiflinger aus Heidelberg. Es handelt sich um ein ästhetisches Upcycling von Kunststoff. Über hundert blaue Wasserflaschen aus recyceltem PET der Marke San Benedetto wurden mit Schere und Feuer in Blüten verwandelt. Dazu kommen Blätter aus grünen PET-Wasserfalschen (Perrier und S. Pellegrino). Umgeben von dem Blauregen (Glyzinen) und einem echten Blauglockenbaum (Paulownia) präsentiert sich so ein sehr romantisches Ensemble.

Zurück auf den Schlossstraße finden sich wiederrum künstliche Pflanzen bei den Rankenstühlen der Berliner Künstlerin Beate Spitzmüller. Zusammen mit echten Pflanzen (einem Schlingknöterisch) umranken sie drei Stühle wie im Märchen von Dornröschen die Rosen ein ganzes Schloss. Die Natur erobert sich das Menschenwerk zurück, und die Kunst schafft so ein durchaus nachdenkliches Menetekel über die Endlichkeit allen Lebens

Wenige Schritte weiter, direkt vor dem Schlosseingang, findet sich die Arbeit flow(er) von Yvonne Roth aus der Südpfalz. Sie hat hier den blauen Drehknauf eines Wasserhahns surreal vergrößert und vor dem Leimbach platziert. Das funktionale Eisenteil erscheint plötzlich wie eine Blüte mit acht Blättern. Der Titel unterstützt diese Assoziation, bezieht sich zudem auf das englische Wort für fließen. Das Rad ist drehbar und suggeriert so die Möglichkeit, das Wasser des Baches zu regulieren. Das Kunstwerk bitte nicht belasten!

Es erscheint ein Katalog (im Mai).

Text: Dr. Dietmar Schuth, Kurator